Wir fahrn, fahrn, fahrn auf der Autobahn

22. November 1990 | Category: Freier Fall

Samstagnacht. Nach einem Auswärtsturnier mit anschliessender Völlerei habe ich nur noch eines im Sinn: zurück zum Stall ! Es ist zu dieser bereits sehr vorgerückten Stunde doch schon sehr dunkel; vielleicht hätte ich es doch bei einer Ehrenrunde belassen sollen ? Wie auch immer, ich sitze bequem im Auto, habe leise Musik eingeschaltet und schwelge in angenehmen Erinnerungen an meinen großen Auftritt eben auf dem Hallenturnier. Hinten im Anhänger scheint auch Al bereits zur Ruhe gekommen zu sein; das rythmische Stampfen, mit dem er mich noch vor kurzem zu mehr Tempo motivieren wollte ist einer beruhigenden Stille gewichen. Ich gebe deswegen noch etwas mehr Gas…

0.24 Uhr, 37,5 Kilometer hinter Kassel

Ein einzelnes Känguruh kreuzt die Fahrbahn

0.28 Uhr, 51,1 Kilometer hinter Kassel

Dasselbe Känguruh scheint sich ebenfalls mit einer Geschwindigkeit von ca. 140 km/h zu bewegen. Jedenfalls hat es mich eben von hinten angeblinkt.

0.29 Uhr, 52,4 Kilometer hinter Kassel

Meine Augen fallen kurz zu, wohl weil ich den Anblick einer ein Känguruh verfolgenden Elefantenherde bei diesem Tempo nicht gewohnt bin.

0.33 Uhr, 59,8 Kilometer hinter Kassel

Beschließe das Tempo zu drosseln. Vielleicht bin ich müde ?

0.35 Uhr, 63 Kilometer hinter Kassel

Ich höre einen Hubschrauber dicht über mir, ignoriere ihn aber in dem Bewußtsein, mit meinem Gespann von oben einen besonders beeindruckenden Anblick zu bieten. Soll er sich nur sattsehen bevor er sich wieder der schweren Aufgabe des Verkehrsfunkens zuwendet.

0.44 Uhr, 72,1 Kilometer hinter Kassel

Eben hat mich ein Batmobil überholt. Ganz schön schnell aber ich würde nicht tauschen wollen… – ach ja, der Joker folgte in einem aufgetunten Feuerwehrauto.

0.55 Uhr, kurz vor Hannover

Der Hubschrauber ist immer noch da. Habe ihn zwar noch nicht gesehen. höre ihn aber ständig. Bin etwas verärgert da er bisher noch nichts gegen die zahlreich herumhüpfenden Riesenkänguruhs unternommen hat. Es wird doch kein Tierschützer sein ?

0.56 Uhr, kurz vor Hannover

Ich halte auf dem nächsten Rastplatz. Halte es zumindest für einen Rastplatz und die ganzen freundlich winkend und hupenden Brummifahrer geben mir recht. Halte Ausschau nach meinem fliegenden Begleiter, kann ihn aber nirgends entdecken. Befürchte, daß er einer alliierten Sturmtruppe der Känguruhs und Elefanten zum Opfer gefallen ist. Kann wohl nichts mehr für ihn tun, warum auch, habe meine eigenen Probleme mit einem Schnabeltier-Ninja-Kampfverband.

1.13 Uhr, halber Weg bis Hamburg

Habe Augenbrennen. Benutzen diese Mistviecher jetzt Nervengase ? Muß seit ca. 5 Minuten Slalom fahren um nicht kleine Känguruhkinder die ihren Müttern aus den Beuteln gefallen sind niederzumähen.

1.25 Uhr, Soltau

Achte jetzt nicht länger auf die Spur aus Tod und Verderben die ich durch eine dichte Lage von Känguruhkindern ziehe. Will nur noch nach Hause. Einem plötzlich vor mir auftauchendem Mammut kann ich nur knapp über den Standstreifen ausweichen ohne zu kollidieren. Hiernach geht mir das Wortspiel Standstreifen-Strandst… nicht mehr aus dem Kopf. Wie albern.

1.50 Uhr, kurz vor Hamburg

Hinter mir irgendwo wild blinkendes Blaulicht. Muß wohl die Morgendämmerung sein. Phantastisches Schauspiel, schade daß ich es eilig habe…

2.03 Uhr, endlich im Stall

Versorge mein Pferd. Etwas nachdenklich betrachte ich, was ich meinem guten Al soeben aus dem Maul zerren mußte – Känguruhohren.


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