Von einem der auszog, ein Pferd zu kaufen…

22. November 1990 | Category: Freier Fall

Jeder, der sich aktiv dem Reitsport verschrieben hat und den Ehrgeiz entwickelt, irgendwann mehr zu erreichen, als nur von der Begleitperson befreit zu werden, die im Zirkus Althoff normalerweise die Kleinpferde im Kreis herumführt, macht sich irgendwann Gedanken über den Erwerb eines eigenen Pferdes. Stimmen dann noch die finanziellen Möglichkeiten und der derzeitige eigene Ausbildungsstand, steht der Erfüllung dieses Wunsches eigentlich nichts mehr entgegen. Fianziell war ich gerade dabei mich langsam wieder von dem Ausrüstungskauf-Fiasko zu erholen und konnte durch Abtretung meiner zukünftigen Erbansprüche an den Leiter meiner Bankfiliale (‘Ist ja bloß eine kleine Unterschrift, Herr Berger. Reine Formsache !’) meinen Dispo auf DM 15.000,- erhöhen. Mit meinen reiterlichen Fähigkeiten stand es zwar weniger gut, aber seit Herr Kubel mir vorletzte Woche attestierte, bereits eine gewisse Findigkeit bei der Pflege des Sattelzeugs an den Tag zu legen, war mein Glaube an mein offensichtliches Talent ins unermeßliche gewachsen.

Als ich Herrn Kubel in meine Absichten einweihte, erlebte ich erstmals die Metamorphose eines bis dahin eher phlegmatisch erscheinenden Kumpeltyps in eine gnadenlose Verkaufsmaschine, auch Pferdehändler genannt. Mit plötzlich glitzernden Augen und hektisch geröteten Wangen beugte er sich zu mir herüber und flüsterte mit verschwörerischer Stimme:

“Ich hab da etwas. Genau das, was Du suchst. Ein Knaller. Hübsch, artig und super talentiert. Ein echtes Zukunftspferd. Eigentlich wollte ich die Stute ja selbst behalten. Großer Preis und so. Na, Du weißt schon. Aber Du und sie, Ihr seid füreinander gemacht. Da will ich mich nicht dazwischenstellen. Ach übrigens, ich heiß Uwe !”

Erst nachdem ich ihm mit vor Rührung brüchiger Stimme versprechen mußte, mit niemandem über dieses Wunderpferd zu sprechen, insonderheit nicht über seine kulante Preisvorstellung in Höhe von DM 30.000,-, führte er mich zu einem kleinen, etwas abseits auf dem Hof gelegenem Verschlag.

“Darfst Dich nicht wundern. Sind auch noch ein paar Schweine mit in der Box. Wegen der Geimhaltung, weißt Du. Sollte doch nicht gleich jeder wissen, was das für ein Kracher ist !”

Ich warf einen vorsichtigen Blick hinein.

“Welches davon ist sie ?”

Uwe schien etwas beleidigt, fing sich aber gleich wieder. “Siehst Du die kleine Braune dahinten. 1,55 cm geballte Power !”

Ich erinnerte mich daran, das Pferd bereits einmal auf dem Hof gesehen zu haben. Eine kleine dickbäuchige Stute von ca. 50 Jahren.

“Das Pferd kenn ich doch schon. Das ist doch die, von der Du mir erzähltest, sie hätte Deinen Großeltern in Polen gehört. Hätte stets die Ernte vom Feld eingebracht usw.!”

“Nein, nein, das hast Du wohl mißverstanden, ich meinte, Sie hätte stets reiche Ernte von dem Feld der Ehre, den schweren Springprüfungen heimgebracht. Also was ist. Willst Du sie ausprobieren ?”

“Also eigentlich eher nicht so. Du bist mir doch nicht böse, Uwe ?”

Seine Augen nahmen wieder den bekannten stumpfen Ausdruck an, die Schultern fielen leicht nach vorne und seine Stimme bekam wieder den vetraut monotonen Tonfall.

“Kubel, mein Junge, Herr Kubel.”

Mein nächster Weg führte mich zu einem Pferdehändler vor den Toren Hamburgs. Herr Wiebaum besaß den Ruf, ein Abzocker zu sein und einen ziemlich geräumigen Verkaufsstall. Ich war gewarnt und bemühte mich, einen professionellen Eindruck zu machen, ein Typ, dem man keinen Mist andrehen könnte.

“Das dahinten ist ein Cantus. Der könnte was für Sie sein.”

“Also ehrlich gesagt bin ich weniger an einem Kaktus als an einem Springpferd interessiert !” gab ich mich lässig. Gleich jede Art themenfremder Konversation vermeidend. So mußte man es machen.

“Cantus, Herr Berger ! Cantus ! Der berühmte Holsteiner Vererber !”

Da war es schon passiert. Ich hatte meine totale Ahnungslosigkeit offenbart. Von nun an war ich nur noch das Opfer, nicht mehr der Herr Käufer.

“Und hier hätten wir einen 8 jährigen Lakai. Bestes Holsteiner Blut.”

Ein Pferd, wie eine Krüppeltanne. Verwachsen und unsympathisch. Ich entschied mich, wieder in die Offensive zu gehen und auf professionelle Art zu zeigen, was ich will.

“Nicht mein Fall. Hat ‘ne zu lange Mähne. Ich will ein Pferd mit kürzerer Mähne. Es sollte aber dafür einen längeren Schweif haben als der hier !”

Hörbar zischend atmetete Herr Wiebaum ein. Gleichzeitig setzte die gleiche Verwandlung bei ihm ein, die ich zuvor schon an Uwe Kubel beobachten konnte.

“Sagen Sie, der Mercedes dort auf dem Hof – gehört der Ihnen ? Schönes Auto. Übrigens heiße ich Jürgen.”

Ich wußte, ich hatte verloren. Nun ging es nur noch darum, meine Mittel zu taxieren, um mich optimal ausnehmen zu können.

“Das hier ist ein Lord” dozierte Herr Wiebaum, vage in Richtung des Stallknechts weisend.

“Oh. Meine Verehrung, Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin, Euer Gnaden-…” hob ich an und wurde jäh unterbrochen.

“das Pferd da hinter Albert meine ich. Lord ist ein-..”

“…bekannter Holsteiner Vererber” fiel ich ihm plötzlich erleuchtet ins Wort.

Nach einer halben Stunde weiterer erkenntnisreicher Belehrungen zog ich mißmutig vom dannen.

“Tschüß Jürgen. Und nichts für ungut” rief ich ihm zu und konnte gerade noch seine Erwiederung “Wiebaum, mein Junge, Herr Wiebaum” verstehen, bevor ich den Hof verließ.

Die nächste Adresse auf meiner Liste war die des Pferdehändlers Rainer Hinrich. Den Tip hatte ich durch unseren Bereiterazubi, Jan erhalten, der neben die Anschrift den Kommentar fairer-Typ,-kann-aber-kein-Skat-spielen geschrieben hatte. Äußerste Vorsicht war also angezeigt. Herr Hinrich stellte sich als ein sehr umgänglicher Kerl mit beachtlichem Übergewicht heraus.

“Pferdekauf, das ist eine Vertrauenssache. Das ist so, wie wenn Du ein Mädchen vögeln willst, die Dir sagt, sie würde die Pille nehmen. Vertraust Du ihr, oder benutzt Du ein Gummi. Du verstehst, was ich meine ?”

“So ungefähr, denke ich.”

“Was ich sagen will ist, im Geschäft halte ich es so, wie privat. Wenn ich ‘ne Frau nicht mehr richtig reiten kann, dann tausch ich sie eben. Und genau das kannst Du bei mir auch mit den Pferden machen. Übrigens heiße ich Rainer.”

So langsam kannte ich mich aus mit diesen Pferdehändlern. Allesamt Chauvinisten, leidenschaftliche Abzocker aber eigentlich ganz nette Kerle. Diesmal würde ich mich besser darauf einstellen können.

“Also ich hätte gern einen Lakai oder Cantus oder etwas von einem ähnlichen Holsteiner Spitzenvererber !”

“Lakai…-hmmm. Ehrlich gesagt, ziemliches Schweineblut. Würd’ ich nicht für losfahren, um mir so einen anzugucken. Ist wie bei ‘ner Frau mit wenig Titten. Lohnt den Aufwand nicht.”

“Was hast Du denn so da, was zu mir passen könnte ?”

“Sach mir man erstmal so ungefähr, was Du willst. Ist wie im Bordell. Da mußt Du auch erst sagen, was Du willst und dann suchen sie dir diejenige raus, die darauf spezialisiert ist.”

“Naja, es sollte springen können. Gut springen können. Und es sollte einen Namen haben, der so ähnlich klingt, wie Mister Ed.”

“Ich glaub, ich hab da was für Dich. Komm man mal mit !”

Gemeinsam gingen wir durch die düstere Stallgasse, die ungefähr 20 Boxen enthielt. Die letzte Box auf der linken Seite wurde durch einen frech dreinschauenden, ca. 170 cm großen braunen Wallach bewohnt.

“Al Bundy”

“Was ?”

“Al Bundy. So heißt er. Die Vorbesitzerin hat mir gesagt, daß er mal Strahlfäule hatte. Ist nichts schlimmes. Aber es soll wohl ziemlich gestunken haben, wenn man ihm die Hufe auskratzen wollte. Und deshalb hat sie ihn dann so genannt”

Al quittierte das eben Gesagte mit einem lautstarken Furz. Kein Zweifel, dies war Al. Ich mochte ihn auf Anhieb. Er wirkte irgendwie unbekümmert, es schien ihm egal, ob er mir gefiel oder nicht. Ich wollte ihn ausprobieren und so wurde er gesattelt. Meine Aufregung wuchs und machte sich bereits durch starkes Schwitzen bemerkbar. In der Halle schnüffelte Al nur kurz an mir herum, nickte verständnisvoll und ließ mich ohne Probleme aufsteigen. Die Probesprünge absolvierte er mit Bravour, trozdem ich ihn ungefähr in gleichem Maße behinderte, wie zwei wettstreitende LKW-Fahrer einen Ferrari auf der Autobahn.

Nach dem Absteigen bemühte ich mich, mir meine Begeisterung nicht allzusehr anmerken zu lassen. Die Frage nach dem Preis wurde in der mir mittlerweile bekannten Art beantwortet.

“Schieb mir neunzehn Mille und den Arsch Deiner Freundin rüber und wir sind im Geschäft !”

Ich besann mich auf meine kaufmännische Ausbildung. Ich würde ihm einen harten Verhandlungskrieg liefern, schwor ich mir. Vielleicht war ich nicht der große Pferdeexperte, aber handeln, das konnte ich.

“Fünfzehntausend, vorbehaltlich eines tierärztlichen Gutachtens. Das ist mein letztes Wort !”

“Neunzehn und deine Freundin oder vergiß es !”

“Abgemacht, aber bezahlt wird erst, wenn ich ihn abhole und dann mit Scheck !”

“Barzahlung bei Abholung und Freundin wird gleich mitgebracht !”

“Oder so. Dann ist ja jetzt alles klar”

Den Weg zum Auto begleiteten mich Fragen wie ‘Hat sie eigentlich gute Titten, Deine Freundin ?’.

Am Auto angekommen reichten wir uns die Hände.

“Stimmt es eigentlich, daß Du kein Skat spielen kannst ?” fragte ich ihn.

“Nö, aber mit Frauen, da kann ich-..”

“..-Tschüß Herr Hinrich”

“Rainer, mein Junge. Für Dich Rainer…”


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